Anlasser
Anlasserausführungen im Wartburg 311 und 353
Im F9 und im Wartburg der ersten Modelljahre, sowie anfangs auch im Barkas B 1000 waren noch in der DDR gefertigte Bosch-Aggregate (Anlasser & Lichtmaschinen) im Einsatz. In den 35 Produktionsjahren des Wartburg wurden 5 Anlassergenerationen in das Fahrzeug eingebaut:
1. Generation:
Bosch-Schubschraubtrieb-Anlasser, Vierpol-Reihenschluß- (Hauptschluß-) Motor mit mechanischer Zweibackenbremse, 6 V 0,6 PS, Gewicht: 8,2 kg. Gebaut im VEB Elektrogerätewerk Suhl (EGS).
Anmerkung: Während der Verbrennungsmotor mit etwa 100 Umdrehungen pro Minute angelassen wird, erreicht die Drehzahl im Elektromotor des Anlassers selbst Drehzahlen bis 1 800 U/min. Wird der Anlasser nun ausgeschaltet, läuft er auf Grund seiner hohen Betriebsdrehzahl und der Masse von Anker und Ritzel noch eine gewisse Zeit nach. Ist der Motor nicht angesprungen, folgt gewöhnlich ein neuer Startversuch. Um dabei ein „Hineinstarten“ des sich noch drehenden Anlassers zu verhindern, was zu Schäden an Ritzel und Starterkranz führen kann, werden Anlasser mechanisch oder elektrisch abgebremst.
2. Generation:
Schubschraubtrieb-Anlasser, Vierpol-Reihenschluß-Motor mit mechanischer Federscheibenbremse, 6 V 0,6 PS, Gewicht: 7 kg. „Hakenbolzen“- bzw. „Hakenschraubenanlasser“.
Dieser Anlasser des VEB Fahrzeugelektrik Ruhla war eine eher schlecht gelungene Weiterentwicklung des alten Bosch-Anlassers. Während man sich bereits 1957 auf Grund höherer Leistungsanforderungen von der 6 V 130 W Bosch-Lichtmaschine trennte und die 180 W-Lichtmaschine einführte, drängelte es beim Anlasser nicht so sehr. Wie bei der Lichtmaschine erfolgte auch beim Anlasser eine Materialeinsparung. Er wurde schlanker (Polgehäuse von 100 mm auf 90 mm Durchmesser) und um 1,2 kg leichter. Während der Bosch-Anlasser mittelst durch das Polgehäuse geführter Stehbolzen verschraubt wurde, ließen sich diese auf Grund des verschlankten Gehäuses nicht mehr einsetzen. So verschraubte man vorderes und hinteres Lagerschild separat über Hakenbolzen am Polgehäuse – eine unglückliche Lösung.
Statt der Bakelitbremse erhielt der neue Anlasser eine Federscheibenbremse, außerdem eine im Kollektorschildlager fest verbundene elektrische Verbindungsbrücke für die beiden Pluskohlen. Der Vorgänger hatte hier eine separate Brücke.
3. Generation:
Schubschraubtrieb-Anlasser, Vierpol-Doppelschluß-Motor mit elektrischer Bremse, 6 V 0,6 PS (Wartburg 311) und 12 V 0,8 PS (Wartburg 353), Gewicht: 7 kg.
Die Entwickler hatten ihre Hausaufgaben gemacht und heraus kam ein wieder Bosch ähnlicher Anlasser – robust und servicefreundlich. Statt der bisher üblichen vier Pole im Hauptschlußbetrieb erhielt das Polgehäuse nun eine Doppelschluß-Schaltung: Zwei Pole im Reihenschluß sorgen für den bei Anlassern nicht anders machbaren kräftigen Anzug (hohes Drehmoment) und ein weiteres Polpaar hat eine Parallelschlußwicklung.
Diese Schaltung bewirkt eine belastungsunabhängige Feldstärkung und führt demzufolge zu einer Drehzahlverminderung. Hohe Drehzahlen oder ein „Hochdrehen“ des Ankers im unbelastetem Zustand (wie beim reinen Reihenschlußmotor unvermeidbar) werden vermieden, was zum schnelleren Stillstand desselben führt. Außerdem entsteht beim Ausschalten ein Generatoreffekt, der auf die Magnetschalterspulen wirkt.
Die Parallelschlußspulen wurden gern von einigen Instandhaltern zur Erhöhung des Drehmoments ausgeklemmt.
Durch die nun kleineren Nebenschlußspulen entstand etwas mehr Platz, wodurch sich wieder durchs Polgehäuse hindurch führende Stehbolzen einsetzen ließen. So konnte auf die problematischen Hakenbolzen verzichtet werden.
Während der Anlassermotor der 2. und 3. Generation überarbeitet wurde blieb der Bosch-Magnetschalter noch über weitere Jahre unverändert. Das betraf auch die anderen DDR-Anlasser, wie z. B. 12 V 1,8 PS für Robur, Multicar u. a. oder 24 V 4 PS für H3A, S 4000, Robur LD, usw. Zur Instandsetzung des Bosch-Magnetschalters mußte die Kappe umständlich mit Hammer und Meißel ausgenietet oder die Nieten ausgebohrt werden. Außerdem lockerte sich der Spulenkern öfters, was zu Leitungsbrüchen führte (Totalausfall oder Rattern des Anlassers).
Bei dem nachfolgenden Magnetschalter in runder Bauform saßen die Spulen fest und die Kappe ließ sich zum Reinigen der Kontakte über 2 Schrauben lösen und auslöten.Dieser Anlasser war eine gelungene Entwicklung und genau wie der Bosch-Anlasser robust, servicefreundlich und unverwüstlich. Mit veränderten Lagerschildern geliefert konnte das Einsatzgebiet vergrößert und der Anlasser ließ sich auch im VW, Moskwitsch, Skoda und Wolga einsetzen. Letzterer hatte eine Leistung von 1,3 PS.
Für sowjetische Fahrzeuge bekam der Magnetschalter noch einen zusätzlichen Kontakt für die dort übliche Starthilfe.
4. Generation:
Schubschraubtrieb-Anlasser, Vierpol (Zweipol)-Doppelschluß-Motor mit elektrischer Bremse, 6 V 0,6 PS und 12 V 0,8 PS, Gewicht: 5,4 kg (mit Aluschild).
Diesmal war die Materialeinsparung ein ganz wichtiges Kriterium einen völlig neuen Anlasser zu entwickeln. Er wurde 26 mm kürzer und 1,6 kg leichter. Magnetschalter und Kohlebürsten erhielten ebenfalls ein verkürztes Maß, letztere erreichten fast die gleiche Laufleistung durch einen veränderten Kohlehalter und damit effektiverer Ausnutzung. Anker und Feldwicklung waren nun durchgehend zweipolig, das sparte ein Kohlenpaar ein. Lediglich der 6 V-Anlasser lief noch (elektrisch bedingt) mit 4 Kohlen. Der Kollektor befand sich nun in der Ankermitte, eine nicht gerade servicefreundliche Entscheidung. Ein erweitertes Einsatzgebiet, wie beim Vorgänger, war nicht mehr möglich und auch nicht vorgesehen.
Die Materialeinsparung machte anfangs insbesondere beim Ritzelfreilauf Probleme. Eine geänderte Technologie führte zu erhöhtem Verschleiß - viele Ritzel erreichten nicht einmal die normale Nutzungsdauer von ca. 60 000 km. Zumindest war bei der ersten Instandsetzung der Ritzelfreilauf generell zu wechseln. Für die Ersatzteillieferung der Vorgängertypen wurde der Ritzelfreilauf auf das materialsparende Prinzip dieses Anlassers umgestellt – mit den gleichen verringerten Laufleistungen.Insgesamt galt die Reparatur an diesem Anlasser als gewöhnungsbedürftig, kein Vergleich zu den Vorgängertypen. Dieser Anlasser-Typ war dann bis zum Ende der DDR im Zweitaktmotor im Einsatz. Im Laufe der Jahre konnten einige „Kinderkrankheiten“ überwunden werden. Dem anfänglichen vorderen Gußlagerschild spendierte man später ein Aluspritzgußlagerschild, was den Anlasser noch leichter machte. Heute findet sich dieser Anlasser-Typ in vielen DDR-Oldtimern, wie im Barkas B1000, Trabant und Wartburg oder Multicar M21.
6 V , 12 V und Trabant
Der Anlasser im Wartburg befindet sich am Motor, der des Trabant am Getriebe. Daraus resultiert eine gegenläufige Drehzahl beider Anlasser bei völlig identischem Aussehen. Dieser Umstand hat schon manchen Laien zur Verzweiflung getrieben und manch Fachmann hat sich ins Bockshorn treiben lassen. Der Anlasser dreht zwar den Motor, aber er springt nicht an, weil der Motor linksherum gedreht wird.
Für den Fachmann gibt es ein einfaches Unterscheidungsmerkmal, wenn er am Ritzelfreilauf mit den Fingern dreht. Aber auch der Laie kann sich ein einfaches Kriterium merken. Schaut man von vorn auf das Ritzel und betrachtet die Zähne über der Welle, dann sind bei einem Wartburg-Anlasser die Zähne oben links angeschrägt und beim Trabant-Anlasser oben rechts.Zur Betriebsspannung: Generell läßt sich ein 6 V-Anlasser auch in einem 12 V-Bordnetz einsetzen. Hierzu sollte aber ein 12 V-Magnetschalter verwendet werden. Auch der Einsatz eines 6 V-Ankers in einem 12 V-Anlasser ist möglich und wurde bei der letzten 4. Anlassergeneration vom Hersteller so gemacht. Der umgekehrte Fall, 12 V-Anlasser im 6 V-Bordnetz würde zu erheblichen Leistungsverlusten führen.