Fahrwerksgeometrie

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Theoretische Grundlagen der Achs- und Lenkgeometrie

Es geht hierbei nicht ausschließlich um die Maße, die am Wartburg eingestellt werden können, sondern um die Zusammenhänge, die nun einmal wichtig sind um fachgerecht eine Beanstandung bewerten zu können und eine Abstellmaßnahme zu finden.

Warum muß (oder besser gesagt: sollte) man etwas über die Fahrwerksgeometrie wissen?
Weil Fehler sich erst dann bemerkbar machen, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

  • Man stellt bei eingeschlagenen Vorderrädern eine einseitige Abnutzung des Reifens fest, die man eigentlich noch gar nicht bemerkt hatte.
  • Ein guter Freund darf mit Deinem Auto fahren und motzt nun auch noch rum, dass Dein Auto, dass Du wie aus dem FF kennst, nach rechts ziehen soll. Hast Du noch gar nicht bemerkt, aber jetzt wo er es sagt....
  • Dein Auto fährt so komisch um die Kurve, obwohl Du schon Deine ganzen Vorräte an Schwingungsdämpfern eingebaut hast

Irgendjemand beruhigt Dich:Das war schon immer so! Aber Dein Vater hat so von den Fahreigenschaften seines Wartburg geschwärmt....

Absolute Grundlage ist ein einwandfreies Chassis, bei dem alle vom Werk vorgegebenen Maße stimmen.
Abb.1 zeigt eigentlich, was jeder schon wußte:

Abb.1 Grundlage
Für einen einwandfreien Geradeauslauf müssen die Vorder- und Hinterachse parallel zueinander stehen. Das Maß L (links) und das Maß R (rechts) müssen identisch sein. Nachteil dieser Geschichte ist: Man kann noch nicht lenken und ist auf schnurgerade Straßen angewiesen.


Abb.2 Lenktrapez
Auch hier ist die Wichtigkeit der Parallelstellung beider Achsen zu erkennen, will man sicher und präzise geradeaus fahren. Die Hinterachse ist die Lenkachse! Sie gibt dem Wagen Richtungsstabilität! Genau deshalb war man schon immer daran interessiert die Hinterachse nicht zu überbremsen, weil man die Situation einer ausbrechenden Hinterachse nicht kontrollieren kann! Im Mittelpunkt der Hinterachse treffen sich die gedachten Verlängerungslinien der Spurstangenhebel. Rudolph Ackermann ließ sich die von Georg Lankensberger erfundene Achsschenkellenkung 1817 patentieren. Auch das Lenktrapez geht auf ihn zurück und wurde in späteren Jahren u.a. auch von Carl Benz wieder erfunden. Die Vorderachse mit den Spurstangenhebel und der parallel zur Achse verlaufenden Spurstange (bei Geradeausfahrt) ergeben das Lenktrapez. Dabei kann die Spurstange geteilt sein, wie bei den früheren Lada Modellen 2101-2107, starr, wie beim W50 beispielsweise oder durch eine Zahnstangenlenkung ausgeführt sein. Das Prinzip bleibt das selbe. Warum dieses Lenktrapez so wichtig ist, zeigt meine nächste Zeichnung.


Abb.3 Kurvenfahrt
Um ein natürliches Abrollen bei Kurvenfahrt zu erreichen, müssen sich die gedachten Verlängerungslinien der Achsen in einem Punkt, dem sogenannten gemeinsamen Mittelpunkt treffen. Die Spurstangenhebel werden bei Kurvenfahrt geschwenkt, die Spurstange verläuft nicht mehr parallel zur Vorderachse. Dies führt dazu, dass das kurveninnere Rad stärker eingeschlagen wird als das kurvenäußere Rad. Der entstandene Winkel zwischen den Verlängerungslinien der Vorderräder ist der sogenannte Spurdifferenzwinkel (der in manchen Achsmeßprotokollen auch angezeigt wird!) und beschreibt den Winkelunterschied der eingeschlagenen Vorderräder bei Kurvenfahrt. Der Spurdifferenzwinkel wird bei einem Lenkeinschlag des kurveninneren Rades von 20° gemessen. Darum wird auch bei der elektronischen Achsvermessung die Lenkung nie von Anschlag zu Anschlag bewegt.


Doch warum ist das so wichtig?

Abb.5 Spurstangenhebel verbogen
Ist ein Spurstangenhebel verbogen, durch scharfes Bordsteinkantenfahren, Schlaglöcher oder unsachgemäße Demontage des Spurstangenkopfes ohne Abzieher, stimmt das Lenktrapez nicht mehr! Bei Kurvenfahrt treffen sich die gedachten Verlängerungslinien nicht mehr im gemeinsamen Mittelpunkt, es kommt zu Schlupf an mindestens einem Rad weil ein natürliches abrollen bei Kurvenfahrt (natürlich unter Außerachtlassen der Kräfte bei Kurvenfahrt!) nicht zustande kommt. Die Folge kann unwilliges, instabiles Kurvenverhalten sein und natürlich auch ungleichmäßiger Reifenverschleiß.

Warum die Einstellung der Längslenker der Hinterachse am 311er so wichtig ist, davon handelt das nächste Bild:

Abb.6 Schrägstellung Hinterachse
Wie bereits beschrieben, ist die Hinterachse die eigentliche Lenkachse. Sie verleiht dem Wagen Richtungsstabilität. Wurde ein Längslenker der Hinterachse erneuert, dabei ist es unwichtig ob der feste oder der verstellbare, dann muß die Parallelstellung zur Vorderachse eingestellt werden! Geschieht dies nicht, dann bewegt sich das Wagenheck wie in der Zeichnung dargestellt nach links und der Wagen würde (auf einem Salzsee in Amerika z.B.) bei Geradeausstellung des Lenkrades einen mehr oder weniger großen Kreis fahren. Da es aber bei uns kein solche riesigen Salzseen gibt, passiert mit hoher Wahrscheinlichkeit folgendes
Abb.7 Dackellauf
Der Fahrer ist beim fahren ständig mit Lenkkorrekturen beschäftigt. Der Freund nörgelte ja schon am einseitigen ziehen herum, nur zugeben wollte man es ja nicht. Die Räder wurden untereinander getauscht ohne ein befriedigendes Ergebnis, der Reifenverschleiß (zu den Reifenverschleißbildern komme ich später noch) ist auch so wirklich nicht erklärbar. Was ist passiert! Weil das Wagenheck durch die Schrägstellung der Hinterachse in unserem Bild nach links wandert, habe ich als Fahrer das Gefühl, dass der Wagen nach rechts zieht und lenke links gegen. Der Wagen fährt schräg zur Fahrtrichtung, er wird dackelläufig. Unangenehm ist auch der nun entstehende Reifenverschleiß, weil das Lenktrapez nicht mehr stimmt. Darum ist es auch so wichtig, die Spur in der Mittelstellung der Lenkung einzustellen, sonnst passt das ganze unter Umständen schon nicht mehr.


Baumuster 311 / 1000 [1]

[2]==


Sturz ( zulässige Achslast ) : 2°
Spreizung : 7° 30"
Vorspur für Diagonalreifen: 0 ... 2 mm
Vorspur für Radialreifen: -2 mm [2]
Nachlauf : 0°
Aufbaufrequenz : 108 Hz

Baumuster 312 / 1 [1]

Sturz ( zulässige Achslast ) : 2°
Spreizung : 9°
Vorspur : - 1 ... 2 mm
Nachlauf : 1° 10"
Aufbaufrequenz : 77 Hz

Baumuster 353 [1]

Sturz ( zulässige Achslast ) : 2°
Spreizung : 9°
Vorspur : - 1 ... 2 mm
Nachlauf : 1° 10"
Aufbaufrequenz : 77 Hz

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 In: IHLING - Wie helfe ich mir selbst VEB Verlag Technik Berlin, Juli 1969, S. 320ff.
  2. 2,0 2,1 In: 2. überarbeitet Auflage der Hinweise zur Identifizierung und zum Umbau von PKW Wartbur, VEB Automobilwerk Eisenach, 1982, S. 14

Weiterführende Links zum Thema

http://w311.info/viewtopic.php?f=5&t=6570&start=0&hilit=Fahrwerksgeometrie Zentrales Wartburg Forum: Fahrwerksgeometrie, eine Betrachtung - der Diskussionsbeitrag

http://de.wikipedia.org/wiki/Lenkung WikiPedia: Lenkung